Oberflächennahe Geothermie, also das, was der "Häuslebauer" mit gebohrten Erdwärmesonden und gegrabenen Flachkollektoren verbindet, hat keinen guten Ruf:
- teuer
- gefährlich
- funktioniert nicht richtig
Aber stimmt das auch?
Was "teuer" und "gefährlich" angeht, so habe ich dazu bereits in meiner Rubrik "Erdwärme contra Luftwärme" viele Argumente ausgeführt.
Fokusieren wir uns hier auf das richtige Funktionieren.
Das Kernproblem ist auch hier, dass der Bauherr einen möglichst günstigen Preis im Angebot sehen möchte. Das funktioniert aber nur mit der "Diesel-Methode": Es wird "geschummelt"!
Folgendes Beispiel soll zeigen, wie das typischerweise abläuft:
Gesucht wird eine Erdwärmeheizung für ein Haus mit Fußbodenheizung. Die Warmwasserversorgung soll ebenfalls von neuen Heizung übernommen werden. Laut Berechnung des Energieberaters werden 10 kW Heizleistung benötigt.
Plant man nun unbedarft mit diesen 10 kW, so gibt es folgende Fehlerquellen:
- Fehlerquelle 1: Der Energiebedarf für Warmwasser wurde nicht hinzugerechnet
- Fehlerquelle 2: Der Energiebedarf für Lüftungsverluste wurde nicht hinzugerechnet
- Fehlerquelle 3: Ein empfohlener Aufschlag von 25 % zur Kompensation von Stromsperrzeiten, die im günstigen Wärmepumpentarif üblich sind, fehlt, weil das nicht Gegenstand einer normkonformen energetischen Berechnung ist.
Trotzdem wird dann gerne eine 10-kW-Erdwärmepumpe angeboten, denn der Energieberater hat ja "10 kW" gesagt, und die eigentlich erforderliche höhere Leistung wäre ja teurer. In der Regel wird noch ein billiger E-Heizstab mit angeboten. Der sorgt dann zwar für zusätzliche Wärme, aber auch dauerhaft für sehr hohe Stromkosten.
Mit diesen möglichen Vorabfehlern im Gepäck wird dann die Geothermieanlage "geplant":
Variante Nr. 1 a: Die Erdwärmesonde mit hoher Auftragswahrscheinlichkeit
Gerechnet wird dann gerne wie folgt:
Von den 10 kW Heizleistung kommen 75 % aus der Sonde und 25 % aus der Steckdose
75 % von 10 kW macht 7,5 kW aus der Sonde
Zu eigenen Gunsten wird dann gönnerhaft unterstellt, dass aus 1 Meter Bohrloch auf Dauer 50 Watt zu holen sind.
Die Sonde muss dann insgesamt 7500/50 = 150 Meter lang sein (alternativ 2 Bohrlöcher à 75 Meter)
Und schon steht das vermeintlich günstige Angebot:
Erdwärmepumpe 10 kW mit 150 Bohrmetern. So etwas lässt sich vergleichsweise günstig anbieten.
Variante Nr. 1 b: Die Erdwärmesonde für Anspruchsvolle und Umweltbewusste
Unterstellt man, dass der Energieberater Warmwasser und Lüftung bereits berücksichtigt hatte und dass eine Fußbodenheizung vorliegt, so müsste man folgendermaßen rechnen:
- Wärmepumpe 1 mit 10,3 kW bei S0/W35
- Wärmepumpe 2 mit 13,2 kW bei S0/W35
Und warum soll nun die schöne Billig-Lösung schlechter sein als die Lösung mit der doppelt so großen Sonde?
- Die Billig-Lösung liefert aller Voraussicht nach bei starkem Frost nicht genug Wärme und benötigt einen E-Heizstab
- Die Betriebstemperatur in der kurzen Sonde wird deutlich tiefer liegen als bei der großen Sonde, was höhere Stromkosten zu Folge haben wird.
- Im Extremfall könnte die zu kleine Sonde sogar vereisen, was z. B. zu irreversiblen Schäden an der Bohrlochverfüllung führen kann und in der Folge die Wärmeleistung einer solchen Sonde dauerhaft verschlechtert.
Was stellen wir fest?
Optimierung durch teureren "Haushaltsstrom"?
Aber Achtung: Mit der Entscheidung zugunsten der Lösung mit nur 10,3 kW ist später ein Wechsel in einen Wärmepumpen-Stromtarif nicht anzuraten, weil die kleine Anlage hierzu aller Voraussicht nach nicht die nötigen Leistungsreserven hat. Sie sparen mit der kleineren Wärmepumpe also bei der Anschaffung, aber Sie verlieren die Möglichkeit, in Zukunft auf andere Stromtarife reagieren zu können. Im übrigen könnte man die kleinere 10,3-kW-Wärmepumpe auch mit nur 2 Sonden à 100 Meter betreiben. Das würde die Bohrkosten um etwa 1/3 reduzieren.
Variante Nr. 2: Der Flachkollektor
Gibt es auch beim Flachkollektor einen Planungstrick?
- Trick Nr. 1 - keinesfalls zu empfehlen: Die Sandwich-Bauweise! Dabei werden einfach 2 Kollektorebenen übereinander installiert. Das aber verletzt die Regel, dass dauerhaft nur soviel Wärme entnommen werden kann, wie von oben nachgeliefert wird. Und weil das so ist, beklagen Kunden derartiger Sandwich-Kollektoren denn auch häufig hohe Stromkosten, Geländehebungen durch Vereisung und vereinzelt auch Schäden an der Wärmepumpe durch permanenten Überlast-Betrieb. Also seien Sie gewarnt, wenn Ihnen so eine "innovative" Lösung angeboten wird.
- Trick Nr. 2 - auch nicht empfehlenswert: Allzu optimistische Annahmen über den realisierbaren Wärmeentzug. Gerne wird hier auch mal mit 40 Watt Wärmeentzugsleistung pro Quadratmeter Gelände gerechnet. Dieser Wert wird jedoch nur empfohlen bei Kollektoren in wassergesättigtem Boden/Kies, sowie unter der Voraussetzung, dass keine Energie für Brauchwassererwärmung benötigt wird. Wird dennoch nach diesem Wert geplant und gebaut, bestehen die gleichen Risiken wie bei der Sandwich-Bauweise.
- Trick Nr. 3 - Sie regenerieren Ihren zu klein gebauten Flachkollektor mit Solarenergie, wo es nur geht. Auch und gerade auch im Winter. Normen sind mir hierzu im Augenblick nicht bekannt, so dass diese Lösung zwar charmant, aber eher etwas für experimentierfreudige Freizeitingenieure ist. Unter Umständen muss der erforderliche Solarkollektor in mehreren Schritten erweitert werden, damit man sich iterativ an das gewünschte Ergebnis herantasten kann. Bis dies erreicht ist, kann oder muss auf sekundäre Wärmequellen wie E-Heizstab oder Kaminofen zurückgegriffen werden.
- Trick Nr. 4 - ähnlich wie Trick 3: Der Flachkollektor kann als Wärmesenke für überschüssige Hitze oder sonst nicht nutzbare Niedertemperaturwärme aus einer "normalen" Solaranlage dienen. So kann auch das Durchbrennen der Solarflüssigkeit verhindert werden. Dabei muss allerdings die Wärmebelastbarkeit der Rohre beachtet werden. Liefern später die Solarkollektoren wegen schlechten Wetters keinen Ertrag, so verbessert die zuvor eingelagerte Wärme auf jeden Fall den Wirkungsgrad der angeschlossenen Wärmepumpe. Mit zunehmender Größe des Solarkollektors entspricht diese Lösung dem Trick Nr. 3.
Also merke: Flachkollektoren sind in der Regel nur etwas für wirklich große Grundstücke. Und die sollten auch nie von einer Erbengemeinschaft geteilt werden ....
Wenn allerdings die Fläche vorhanden ist, dann ist dier Herstellung eines Flachkollektors im Allgemeinen kostengünstiger als das Bohren einer Sonde, und: Der Flachkollektor ist in aller Regel genehmigungsfrei!